Mediation im Roman: „Wie der Stahl gehärtet wurde“ von Nikolai Ostrowski, 1932
APRIL 2016 / KERSTIN LÜCK
Zeit: russische Revolution 1917
Ort: Solomenka, 300 km von Moskau entfernt
Streitparteien: die Hauptfigur des Romans Pawel Kortschagin, kämpfte in der Roten Armee, dem Komsomol und der Kommunistischen Partei und Zwetajew, Mitglied des Bezirksjugendkomitees, früher Schmied im Metallwerk
Einleitung:
Warum sollte ich mich in einen Roman, der Russland und der DDR zur „sozialistischen Bewusstseinsbildung“ diente und einen solch martialischen Titel trug, einmischen? Weil er für alle 8-Klässler_innen in der DDR Pflichtlektüre war und einige spannende Konflikte aufweist, die die jungen Komsomolzen (Komsomol Jugendorganisation der KPdSU) vielleicht zu Beginn noch anders hätten lösen können. Bei aller Idealisierung wird deutlich, dass die Partei um den richtigen Weg und gelebte Demokratie gestritten hat. Der Roman hat autobiographische Züge und wurde vier Jahre vor Ostrowskis Tod (*1904 greg. in Wilija,† 22. Dezember 1936) in Moskau veröffentlicht. Er hatte in den verschiedenen Sprachen der Sowjetunion weit über 200 Auflagen und in der DDR eine Gesamtauflage von etwa einer Million Exemplaren. Der Roman gehörte in der DDR zu den seltenen stets lieferbaren Büchern.
Im Mittelpunkt steht Pawel: Sein Vater war Eisenbahner, seine Mutter Köchin. Schon mit fünfzehn arbeitete er im Revolutionskomitee des Eisenbahnstädtchens Schepetowka. 1919 meldete sich freiwillig an die Front, kämpfte in Budjonnys Reiterarmee gegen die Weißgardisten, wurde schwer verwundet und demobilisiert. Unermüdlich sich bildend, gleichzeitig kämpfend, auch immer wieder gegen die Grenzen seines Körpers. In sehr jungen Jahren baut er die Partei und das neue Russland mit auf. Er steht exemplarisch für den neuen Menschen. Pawel gerät in Streit und nicht nur mit seinem schwächer werdenden Körper. Wer darf auf Versammlungen sprechen, wer entscheidet?
In der Hierarchie der sowjetischen Organisationen kam der Komsomol direkt hinter den Gewerkschaften und der Partei, war in den meisten Werken vertreten.
Kurze Inhaltsangabe bis zur literarischen Mediation:
Der totgeglaubte Pawel kehrt in die Partei zurück und versucht wieder einen Platz zu finden. In seiner früheren Funktion sitzt nun Zwetajew. „Zwetajew nahm die Rückkehr Kortschagins in die Werkstatt mit Zurückhaltung auf. Er war überzeugt, dass mit dessen Erscheinen ein Kampf um die politische Leitung beginnen würde, und bereitete sich, von Ehrgeiz erfüllt, zum Widerstand vor. Aber vom ersten Tag an überzeugte er sich, dass seine Annahme nicht stimmte.“ Kortschagin übernahm in der Komsomolzelle seiner Abteilung die Leitung eines politischen Elementarkurses, aber der Arbeit im Komitee wich er aus gesundheitlichen Gründen aus. Und doch war, obgleich er auf die offizielle Leitung verzichtete, Pawels Einfluss auf die gesamte Arbeit des Kollektivs deutlich zu spüren. „Unauffällig, ganz kameradschaftlich half er Zwetajew mehr als einmal aus schwierigen Situationen.“ Zwetajew, ein „schmucker Bursche mit kastanienbraunem Haar und scharfgeschnittenen Lippen“ war von der Betriebsarbeit befreit und machte dank seiner organisatorischen Fähigkeiten Karriere in der Partei. Man hatte ihn zum Mitglied des Bezirksjugendkomitees sowie in das Gouvernementskomitee gewählt. Obwohl er früher auch als Schmied im Metallwerk gearbeitet hatte, kannte er die Hauptwerkstätten nicht mehr. Am liebsten hätte er in der Partei alles selbst in die Hand genommen. Seine Mitarbeiter waren ihm zu passiv. „Sogar die Ausstattung des Zimmers hatte er beaufsichtigen müssen.“
Wie nimmt der Streit Fahrt auf?
Wir befinden uns in einem Werk mit verschieden Abteilungen, in dem auch Pawel arbeitet. Ein junger Arbeiter „ein stupsnasiger, phlegmatischer Bursche mit pockennarbigen Gesicht“ macht einen teuren amerikanischen (!) Bohrer kaputt. Aus Nachlässigkeit, fehlender Arbeitseinstellung oder als unterdrückter Arbeiter, der so seinen Protest ausdrückt? Sein Meister und der Abteilungsleiter des Werkes, die keine Parteimitglieder sind, verlangen seine Entlassung. Die Abteilungsjugendzelle setzt sich für ihn ein und so gelangt der Fall vor die Leitung der gesamten Betriebsjugend.
„Von den fünf Mitgliedern der Jugendleitung waren drei, darunter auch Zwetajew, der Meinung, dass Kostja einen Verweis bekommen und auf eine andere Arbeitsstelle überführt werden müsse. Die zwei anderen Mitglieder der Leitung hielten Kostja überhaupt für unschuldig.“
Zwetajew nimmt also hier eine vermittelnde Position ein. Die Sitzung fand in Zwetajews Büro statt.
Der Ort
„Es standen dort ein großer, mit rotem Tuch bedeckter Tisch und einige von den Jungen aus der Tischlerei selber angefertigte lange Bänke und Schemel. An den Wänden hingen die Bilder führender Genossen, und hinter dem Tisch war über die ganze Wand die Fahne des Jugendkollektivs ausgebreitet.“ …
Pawel kommt überraschend dazu und fordert mit Hinweis auf eine sich ausbreitende mangelhafte Arbeitshaltung scharf ebenfalls die Entlassung des jungen Arbeiters Kostja Fidin.
„»Die Zahlen hat mir die Kontrolle im Betrieb gegeben. Hört jetzt nur aufmerksam zu! Dreiundzwanzig Prozent aller Komsomolzen kommen täglich fünf bis fünfzehn Minuten zu spät zur Arbeit. Das ist bereits zur Regel geworden. Siebzehn Prozent aller Komsomolzen schwänzen systematisch ein bis zwei Tage im Monat, während es unter der unorganisierten Jugend nur vierzehn Prozent Bummler gibt. Diese Zahlen sind für uns schlimmer als Peitschenhiebe. Ich habe mir bei dieser Gelegenheit außerdem noch folgendes notiert: Unter den Parteigenossen gibt es vier Prozent Bummler, die allmonatlich einen Tag fehlen, und ebenfalls vier Prozent, die sich verspäten. Von den parteilosen erwachsenen Arbeitern bummeln monatlich elf Prozent einen Tag, zu spät kommen dreizehn Prozent. Werkzeugbruch geht zu neunzig Prozent auf Kosten der Jugendlichen, davon entfallen nur sieben Prozent auf solche, die erst kurze Zeit im Betrieb arbeiten. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass wir Komsomolzen viel schlechter arbeiten als die Parteimitglieder und die erwachsenen parteilosen Arbeiter.“
…
„Der sonst so ruhige und schweigsame Kortschagin hatte diesmal leidenschaftlich und scharf gesprochen. Zwetajew sah den Monteur zum ersten Mal in seiner wirklichen Gestalt. Er verstand, dass Pawel recht hatte, aber das Misstrauen ihm gegenüber hinderte ihn daran, sich mit ihm einverstanden zu erklären. Er betrachtete Kortschagins Auftreten als eine scharfe Kritik am allgemeinen Zustand der Organisation, als eine Untergrabung seiner – Zwetajews – Autorität und nahm sich vor, mit Pawel gründlich abzurechnen. Er begann seine Widerlegung mit der unverblümten Anschuldigung, dass Kortschagin den Menschewik Chodorow, den Abteilungsleiter verteidige.
…
Mit dieser Argumentation kann er die Anderen nicht von seinem Standpunkt überzeugen. Als er das merkt, fordert er Pawel auf vor der entscheidenden Abstimmung, das Zimmer zu verlassen.
»Gut, ich werde hinausgehen, Ehre macht dir das nicht, Zwetajew. Bevor ich gehe, mache ich dich nur auf eins aufmerksam, dass ich, falls du deinen Standpunkt doch durchsetzen solltest, morgen in der allgemeinen Versammlung auftreten werde. Dort wirst du – ich bin fest davon überzeugt – keine Mehrheit bekommen. …. Ich denke, Genosse Chomutow, dass du diese Frage noch vor der allgemeinen Versammlung auf der Parteiversammlung behandeln lassen musst.« Zwetajew rief ihm herausfordernd zu: »Willst du mich erschrecken? Ich weiß auch ohne dich, was ich zu tun habe. Wir werden dort auch über dich sprechen. Wenn du selbst nicht arbeitest, so hindere wenigstens andere nicht daran.«“
Die Mediation
Ich führe nun ein erfahrenes älteres Parteimitglied ein, das zum Wohle der Partei die beiden versöhnen will, bevor die Versammlung stattfindet, damit der machtbewußte Zwetajew nicht auf der anberaumten Versammlung gedemütigt wird. Es erscheint Shuchrai, der Pawel für die Partei gewonnen hat, als er noch ein sehr junger Mann war.
Wer ist Shuchrai im Roman?
„Der baltische Matrose Fjodor Shuchrai, um dessen Nase so mancher Seesturm gepfiffen hatte und der seit 1915 Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Bolschewiki) war, zeigte dem jungen Heizer nun die unerbittliche Wahrheit des Lebens. »Ja, Pawka, als Junge war ich auch so einer wie du«, sagte er. »Ich wusste nicht, wohin mit meinen Kräften. Wir hatten ein Hungerleiderleben, und wenn man sich da die satten, fein herausgeputzten Herrensöhnchen anschaute, packte einen die Wut. So manches Mal habe ich sie erbarmungslos zusammengehauen. Aber dabei kam nichts heraus, außer einer ordentlichen Tracht Prügel von meinem Vater. Wenn man sich als einzelner herumschlägt, kann man das Leben nicht ändern.“
Shuchrai: Der Parteisekretär schickt mich. Er macht sich große Sorgen um das Jugendkomitee, wenn Ihr weiter in dieser Form streitet. Ich bin Vermittler und kein Richter, ich treffe keine Entscheidungen. Seid Ihr einverstanden mit einem Gespräch?
Beide nicken.
Shuchrai: Ich sehe große Gemeinsamkeiten zwischen Euch beiden: Ihr brennt für die Partei und habt beide auf Eure Weise viel für sie getan und Ihr seid beide noch jung. Was ärgert Euch aneinander?
Zwetajew: Er steht von den Toten auf und mischt sich sofort in alles ein. Seinetwegen sollen wir einen hoffnungsvollen Zellenleiter in der Betriebsstätte entlassen.
Pawel: Ach, darum ging es doch gar nicht. Die Arbeit und das Ansehen der Jugendleitung stand auf dem Spiel. Durch mein Eingreifen kann das verhindert werden. Ich habe Dir schon öfter geholfen, das hast Du gar nicht gemerkt.
Shuchrai: Stopp: Ich höre von Dir (zu Zwetajew gewandt), dass du gerne die Parteiregeln einhältst und nach einem geordneten Verfahren, in dem auch Pawel gehört worden war, dem Arbeiter und Zellenmitglied Kostja noch eine Chance gegeben hättest.
Zwetajew: Genau, er hat alles durcheinandergebracht. Und wie stehe ich jetzt da? Ich bin vor allen in der Abteilungsjugendzelle gedemütigt worden.
Shuchrai: Das heißt, Dein Ruf ist Dir wichtig und Dein Gestaltungsraum innerhalb der Jugendzelle. Du siehst beides geschädigt und bedroht.
Pawel: Er soll sich nicht so haben mit den formalen Regeln. Er hat mich aus der Sitzung ausgeschlossen, um in einem letzten Versuch, meine berechtigte Kritik am Großen und Ganzen zu unterdrücken. Es ist ihm nicht gelungen und ich bin stolz darauf. Ich habe persönlich nichts gegen ihn, biete ihm sogar meine Freundschaft an.
Shuchrai: Du hast den Streit nicht persönlich gemeint, sondern Dir ging es um den Ruf der Komsomolzen und die Weiterentwicklung der Arbeit?
Pawel: Ja, ich wollte mit ihm zusammenarbeiten. Letztlich ergänzen wir uns gut. Ich wollte ja gar nicht nur in der Jugendleitung arbeiten. Außerdem macht mir die Arbeit in der Betriebsstätte Spaß. Aber wenn ich sehe, dass der Schlendrian und die Verantwortungslosigkeit die Oberhand gewinnen, mische ich mich ein und werde das auch zukünftig tun! (er guckt kämpferisch zu Z.)
Shuchrai: Euch beiden ist die Partei wichtig und ihr wollt beide Euren Gestaltungsspielraum in der Jugendleitung haben?
Beide nicken…
Shuchrai: Wie kann das also gelingen?
Zwetajew: Er soll seine Kraft konzentrieren und nicht überall seine Nase reinstecken. Soll er die Agitations- und Bildungsarbeit übernehmen, hab ja gesehen, wozu er fähig ist, aber Bezirksjugendsekretär bleibe ich. Hätte er gleich haben können, als er wieder aus der Versenkung erschien.
Pawel: Ja, das habe ich auch schon überlegt. Ich muss auf meine Gesundheit achten, darf mich nicht mehr um alles kümmern. Und doch müssen wir zusammen arbeiten im Komitee. Wichtig ist es mir, sich regelmäßig zu besprechen.
Shuchrai: Wie könnte das aussehen?
Pawel: Wir schmieden etwas zusammen oder singen ein Lied zusammen (schmunzelt). Nein, im Ernst. Wir rauchen eine Zigarette vor den Sitzungen und besprechen das Wichtigste. Ich will ihm nichts wegnehmen. Nur das Misstrauen ertrag ich nicht.
Zwetajew: Ja, ich bin einverstanden, wenn Du nur nicht Produktivitätszahlen hinter meinem Rücken zusammenträgst und die Komsomolzen vor dem Parteisekretär beschimpfst und sogar behauptest für die Kapitalisten ist damals bessere Arbeit geleistet worden.
Shuchrai zu Zwetajew: Ich höre, das hat Dein Vertrauen untergraben.
Shuchrai zu Pawel: Wie stehst Du zu diesem Vorwurf, Pawel?
Pawel: Ja, er hat Recht. Doch diese Zahlen habe ich erst genannt, nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass er den großen Zusammenhang, die Haltung der jungen Arbeiter nicht erkannt hatte. Ich wollte ihn aufrütteln.
Shuchrai: Das ist Dir gelungen. Der Effekt war dann auch noch ein Anderer. Er hat die Kritik auch an sich gerichtet gefühlt.
Pawel: Ja, das ist mir jetzt klarer. Das konnte ich mir nicht vorstellen, weil er ja selbst nicht im Betrieb arbeitet.
Shuchrai: Ich fasse zusammen: Ihr seid damit einverstanden, nebeneinander im Bezirkskomitee des Jugendverbandes zu arbeiten. Zwetajew als Sekretär und Pawel als Bildungsleiter. Und Ihr sprecht Euch miteinander vor den Sitzungen über die Strategie ab und versucht Meinungsverschiedenheiten nicht persönlich zu nehmen.
Pawel und Zwetajew nicken.
Shuchrai: Und wie wollt Ihr jetzt verfahren zum Ausschluss-Gesuch der Werksleitung bezüglich des Kostja Fidin?
Zwetajew: Ich unterstütze den Ausschluß des Kostja, wenn Pawel meine bisherige Arbeit würdigt und die Zahlen dem Komitee in meinem Auftrag vorlegt, damit meine Ehre gewahrt bleibt. Die Zahlen sind eine gute Idee.
Pawel: Meinetwegen! Mir geht es um die Sache und nicht um Personen.
Zwetajew: Ich möchte noch mal betonen, dass das ein geheimes Gespräch war.
Shuchrai und Pawel nicken, alle geben sich die Hand und rauchen eine Zigarette.
Shuchrai verabschiedet sich: „Ihr seid verantwortungsvolle Komsomolzen! Ich bin stolz auf Euch. Eine gute Sitzung morgen“!
Wie ging es im Roman weiter ohne die Mediation?
„In der Komiteesitzung wurde Zwetajew ordentlich vorgenommen. Anfangs wollte er sich auflehnen, aber durch das Auftreten des Parteisekretärs Lopachin, eines älteren Arbeiters mit einem gelblich-blassen mageren Gesicht, in die Enge getrieben, kapitulierte Zwetajew und gab seinen Fehler halbwegs zu.“ …“Kostja wurde aus dem Jugendverband ausgeschlossen, und in das Komsomolkomitee wurde ein neuer Leiter für Agitations- und Bildungsarbeit gewählt: Kortschagin. „
„Nach der Versammlung wartete Kortschagin auf der Straße auf Zwetajew. »Gehen wir zusammen. Wir haben manches miteinander zu besprechen«, sagte Pawel. »Worum handelt es sich?« fragte Zwetajew dumpf. Pawel fasste ihn unter und ging einige Schritte mit ihm. Vor einer Bank machte er halt. »Setzen wir uns ein wenig«, sagte Pawel und nahm als erster Platz. Zwetajews Zigarette glühte einige Mal auf und erlosch wieder. »Sag mal, Zwetajew, was hast du eigentlich gegen mich?« Es folgten einige Minuten Schweigen. »Ach, darüber willst du reden, und ich dachte, du willst mit mir über die Arbeit sprechen!« sagte Zwetajew etwas unruhig, mit gekünsteltem Erstaunen in der Stimme. Pawel legte Zwetajew fest die Hand aufs Knie. »Lass doch diesen Ton, Dimka. So spielen sich doch nur Diplomaten auf. Sag mir ganz offen, was hab ich dir getan?« Zwetajew rückte nervös hin und her. »Was willst du eigentlich von mir? Was soll ich gegen dich haben! Ich habe dir ja selbst vorgeschlagen mitzuarbeiten. Du hast das abgelehnt, und jetzt sieht es so aus, als hätte ich dich verdrängen wollen.« Pawel spürte in Zwetajews Stimme Unaufrichtigkeit, und ohne seine Hand vom Knie des anderen zu nehmen, sagte er erregt: »Du willst mir nicht antworten – dann werde ich es für dich tun. Du glaubst, dass ich dir im Wege bin, glaubst, ich träumte davon, Komsomolsekretär zu werden. Würde das nicht zutreffen, dann wären diese Streitereien wegen Kostja nicht gewesen. Aber solches Misstrauen hemmt doch die ganze Arbeit. Würde das nur uns beide betreffen, dann wäre es ja nicht wichtig, soll jeder von uns denken, was er will. Wir werden aber schon morgen gemeinsam arbeiten müssen. Wie soll das aussehen? Also, hör zu. Hier gibt’s nichts zu streiten. Beide sind wir Arbeiterjungen. Wenn dir unsere Sache über alles geht, so gibst du mir jetzt deine Hand, und ab morgen arbeiten wir kameradschaftlich miteinander. Wenn du dir jedoch diesen ganzen Mist nicht sofort aus dem Kopf schlägst und herumstänkerst, dann werden wir wegen jeder Schwierigkeit, die sich daraus ergibt, hart aneinander rennen. Hier hast du meine Hand, schlag ein, solange sie noch die Hand eines Freundes ist.« Mit großer Genugtuung spürte Kortschagin die knochigen Finger Zwetajews in seiner Hand.“
Dieser unter Druck zustande gekommene Waffenstillstand trägt nicht lange. Er ist unter einer Drohung „solange das noch die Hand eines Freundes ist“ und mit Unterstellungen zustande gekommen. Hier zwingt ein Sieger den Besiegten einzuschlagen. Im Roman geraten die beiden noch zwei Mal aneinander. Immer geht Pawel als „Sieger“ aus den Konflikten hervor. Zwetajew bekommt im Roman auch keinen Vornamen.
Ich habe viele Zitate in meine literarische Mediation eingebaut, weil ich davon ausgehe, dass die Lektüre der meisten Leser_innen doch schon etwas länger her ist. Wer durch diese Lektüre doch motiviert ist, den Roman zu lesen, dem sei folgender Link anempfohlen. Das Buch gibt es ansonsten nur noch gebraucht.
Der Roman im Netz http://nemesis.marxists.org/ostrowski-wie-der-stahl-gehaertet-wurde1.htm
Kinofilm, Originaltitel: Pawel Kortschagin, Regisseur Wladimir Naumov, 1h 36min, 1957, Drama, UdSSR
http://www.ddr-hoerspiele.net/lp/wie-der-stahl-gehaertet-wurde.html 1973
13. Juni 2017 at 11:12
Liebe Kerstin,
als junge Frau habe ich Ostrowskis „Wie der Stahl gehärtet wurde“ gelesen. Ich muss wohl noch hinzufügen, als westdeutsche junge Frau. Der Roman gehörte in meinem politischen Umfeld zur Pflichtlektüre, schließlich waren wir überzeugt davon, dass die Gesellschaft verändert und verbessert werden sollte. Die verschiedenen Figuren bei Ostrowski haben verschiedene Standpunkte aufgezeigt und uns im besten Sinne weiterdenken lassen. Mit einer Freundin habe ich damals einen „marxistischen Arbeiterbildung“ Zirkel besucht. Das war der Beginn, dass ich mich mit soziologischen und auch philosophischen Texten beschäftigen wollte. Dort in Auseinandersetzung mit anderen Menschen. Eine tolle Zeit!
Über Dich / über Deinen Blog an diese Stelle meiner Biografie noch einmal hingeführt zu werden, war sehr anregend. Die schwarz-weiß-Sicht meiner Jugend habe ich längst hinter mir gelassen. Doch sie hat geholfen ein Interesse an der Analyse gesellschaftlicher Zusammenhänge zu entwickeln und Ostrowski stand ganz am Anfang!
Danke und alles Gute für Dich! Ich werde sicher immer wieder mal „vorbeischauen“.
Herzliche Grüße Erika